Das politische System in den Vereinigten Staaten
unter der Verfassung von 1787 und während des Bürgerkrieges
Stand: 16.05.2012, letzte Durchsicht 02.11.2024
Oberste Verwaltungseinheit ist die Union (in Deutschland: der Staat oder der "Bund") mit seinem Regierungssitz in der Stadt Washington, D.C. Regierungschef ist der US-Präsident, der zur Erledigung seiner Aufgaben eine Reihe Minister (engl. secretary) als Chefs ihrer jeweiligen Ministerien (engl. departments) in seinem Kabinett hat. Diese Gruppe von Personen stellt die exekutive Gewalt dar. Ihr demokratisches Gegenstück, die Legislative, wird durch den Kongress dargestellt, der seinerseits aus den beiden Kammern Senat und Abgeordnetenhaus besteht.
Hier ein Vergleich dieser Verfassungsorgane zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland seit 1949:
Vereinigte Staaten |
Bundesrepublik Deutschland |
Präsident (Exekutive): Staatsoberhaupt, Regierungschef, Oberkommandierender, auf 4 Jahre indirekt gewählt |
Bundespräsident (Exekutive): Staatsoberhaupt, auf 5 Jahre exemplarisch gewählt Bundeskanzler (Exekutive): Regierungschef, auf 4 Jahre indirekt gewählt Verteidigungsminister (Exekutive): Oberkommandierender |
Kabinett aus Secretaries (Exekutive): leiten jeweils ein Department, vom Präsidenten ernannt |
Kabinett aus Ministern (Exekutive): leiten jeweils ein Ministerium, vom Bundeskanzler ernannt |
Repräsentantenhaus (Legislative): derzeit 435 Sitze, nach Bevölkerung anteilige Vertreter aus den Distrikten der Staaten, auf 2 Jahre direkt gewählt |
Bundestag (Legislative): nach Bevölkerung anteilige Vertreter aus den Wahlkreisen, für 4 Jahre direkt gewählt |
Senat (Legislative): 100 Sitze, je 2 Vertreter aus den Staaten, auf 6 Jahre direkt gewählt |
Bundesrat (Legislative): Regierungschefs der Länder, jeweils auf 5 Jahre gewählt |
Supreme Court (Judikative): oberste Richter, vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestigt |
Bundesgerichte (Judikative): Richter, vom Bundestag ernannt |
Exekutive: Präsident und Minister
Der gewaltigen Machtkonzentration in der Person des Präsidenten wird ein starkes Kontrollsystem im Kongress gegenübergestellt, weshalb dieser bei anderslautenden Mehrheiten den effektiven Regierungsbetrieb des Präsidenten nicht nur steuern sondern empfindlich lahmlegen kann.
(Im Zeitraum des Bürgerkrieges sind beide Verhältnis-Konstellationen zu beobachten: In Lincoln's erster Amtsperiode war auch der Kongress mehrheitlich republikanisch besetzt, weshalb Lincoln - sofern er nicht seine Kompetenzen als Staatschef im Krisenfall benutzt hat - wenig Widerstand bei der Gesetzgebung hatte. Sein demokratischer Nachrücker Johnson hingegen musste hinnehmen, dass der weiterhin republikanisch bestimmte Kongress seine Gesetzesvorhaben fast ausnahmslos blockierte und ihn mit Gegenanträgen überhäufte.)
Der Präsident selbst kann kein Gesetz verabschieden. Gesetzesvorhaben bringt das Repräsentantenhaus als Legislative ein - was nicht heißt, dass der Präsident garkeinen Einfluss darauf hat, denn er kann über ihm nahestehende Mittelsmänner des Kongresses Einfluss auf solche Eingaben nehmen. Bevor ein Gesetz gültig wird, muss der Senat seine Zustimmung erklären und schließlich der Präsident es unterschreiben (ein Verfahren, dass mit dem deutschen Bundestag, dem Bundesrat und dem Bundespräsidenten vergleichbar ist).
Legislative: Kongress - Abgeordnetenhaus (House of Representatives)
Die Größe des Abgeordnetenhauses ist von der aktuellen Gesamtbevölkerungszahl und ihrer Verteilung in den einzelnen Bundesstaaten abhängig. Zur Wahl von Lincoln im Jahr 1860 lebten in den USA insgesamt 30 Millionen Bürger, die durch 185 Sitze vertreten waren (zum Vergleich: heute sind es 311 Millionen Bürger und 435 Sitze). Je mehr Bürger ein einzelner Staat hat, desto mehr Sitze erhält er im Angeordnetenhaus, mindestens jedoch einen einzelnen (heute: Alaska). Nicht zuletzt deshalb führt die amerikanische Regierung seit Anfang des 19. Jahrhunderts alle 10 Jahre eine Volkszählung durch (den sogenannten Census). Die Abgeordneten werden alle 2 Jahre von den Bürgern aus ihren Distrikten neu gewählt und dorthin entsandt. Abgeordnete aus Washington, D.C. haben kein Stimmrecht.
Die wichtigste Aufgabe des Abgeordnetenhauses ist es, neue Gesetze einzubringen, zu beraten und zu verabschieden. Damit sie in Kraft treten, müssen sie im nächsten Schritt dem Senat vorgelegt werden.
Während
des Bürgerkrieges hatten sämtliche Abgeordnete aus dem Süden ihre Sitze
geräumt, die jedoch von der Unionsregierung offen gehalten wurden, da die
Südstaaten nach ihrer Verfassungsansicht nach wie vor
repräsentationsberechtigte Mitglieder der Union waren - wenngleich der
politische Druck aus Washington zusätzlich für eine Säuberungsaktion von
"Andersdenkenden" gesorgt hat.
Das
Repräsentantenhaus wählt einen Sprecher, der zumeist aus der mehrheitlich
vertretenen Partei entstammt. Dieser führt den Geschäftsbetrieb der Kammer und
steht in der Reihenfolge der Nachfolger des Präsidenten im Falle von dessen
Amtsunfähigkeit nach dem Vizepräsidenten an Platz 3.
Legislative: Kongress - Senat
Der Senat stellt hingegen die stimmengleiche Vertretung aller Einzelstaaten dar, sodass auch kleine oder bevölkerungsarme Staaten in diesem Gremium ein ausgeglichenes Gewicht zu den großen Staaten haben. Jeder Staat stellt zwei Senatoren (heute zusammen 100, zu Lincoln's Wahl durch weniger Staaten zunächst 66), die alle 6 Jahre neu gewählt werden. Der District of Columbia (gleichbedeutend mit der Hauptstadt Washington) ist nicht als Staat organisiert und hat im Senat deshalb keinen Sitz. Die Amtsperioden sind so gestaffelt, dass alle zwei Jahre rund ein Drittel der Sitze neu zur Wahl stehen, sodass auch hier ein kontinuierlicher Wandel stattfindet.
Bis zum Ende des Bürgerkrieges wurden weitere Staaten in die Union aufgenommen: Kansas 1861, West Virginia 1863, Nevada 1864. Die Sitzanzahl im Senat stieg dementsprechend auf zuletzt 72. Die Sitze der Südstaaten blieben in diesen Jahren unbesetzt.
Der Senat muss jedem Gesetzesvorhaben aus dem Abgeordnetenhaus zustimmen und es an den Präsidenten zur Unterschrift weiterleiten. Daneben hat der Senat noch weitere Kompetenzen. So muss er seine Zustimmung bei der Bestellung von Ministern, Bundesrichtern, Botschaftern und - wie im Bürgerkrieg besonders häufig - Generälen geben, die der Präsident vorgeschlagen hat.
Der Senat wählt aus jeder dort vertretenen Partei einen Sprecher (Mehrheitsführer und Minderheitsführer), aber der Vorsitz, die Geschäftsführung und bei Stimmengleichheit die mehrheitsbeschaffende Stimme liegt beim Vizepräsidenten. Nur wenn dieser nicht vorhanden ist (z.B. weil er verstorben ist oder in das Präsidentenamt nachgerückt ist), wählt der Senat einen Senatspräsidenten (president pro tempore), der im Falle der gleichzeitigen Amtsunfähigkeit des Präsidenten und des Sprechers des Repräsentantenhauses dessen Aufgaben wahrnimmt.
Judikative: Gerichte
Der Supreme Court (Oberste Gerichtshof) stellt das höchste Bundes- und gleichzeitig Verfassungsgericht dar. Er ist die einzige Justiz-Institution, die in der US-Verfassung aufgeführt ist. Seine Aufgabe ist es, über die Verfassungsmäßigkeit von Fällen zu entscheiden, die über Berufungsgerichte an ihn geleitet werden. Auch entscheidet es in zentralen bundesstaatlichen Fragen direkt. Die Anzahl der Richter ist nicht festgelegt - zur Bürgerkriegszeit waren es 5, heute sind es 9. Sie werden vom Präsidenten ernannt, müssen vom Senat bestätigt werden, und dienen auf Lebenszeit.
Föderale Gliederung
Unterhalb der beschriebenen Unions-Regierung hat jeder der (derzeit 50) Staaten eine eigene Staats-Regierung, geführt von einem Gouverneur. Die darunterliegenden Regierungen können je nach Verfassung dieser Staaten stark unterschiedlich gebildet sein, aber sie orientieren sich in der Regel mit einem eigenen Repräsentantenhaus oder einem eigenen Kongress an der Zentralregierung.
Weitere Ebenen des föderalen Systems sind die Counties (Landkreise) und Townships (kreisfreie Städte oder Stadt-Verbünde), die jeweils von Bürgermeistern und vergleichbaren Gremien geführt werden.
Territorien (1860 - 1865)
Zur Zeit des Bürgerkrieges war erst weniger als 50 % der Landfläche der heutigen Vereinigten Staaten als Staaten organisiert und somit gleichberechtigtes Mitglied in der Union. Die restlichen Landesteile wurden in großflächigen Territorien struturiert:
sowie nördlich von Texas und westlich von Minnesota je ein noch unorganisiertes Territorium.
Diese Territorien wurden von der US-Regierung als Staatsgebiet beansprucht und direkt ihrer Regierungsgewalt unterstellt. Hierfür ernannte sie jeweils einen Territorial-Gouverneur, der mit einer relativ kleinen Mannschaft die Verwaltung des Gebietes übernahm.
Um als vollwertiges Mitglied als Staat in die Union aufgenommen zu werden, mussten im Territorium einige Voraussetzungen geschaffen werden. So musste die Bevölkerung eine Mindeststärke erreichen, ein Konvent musste eine Verfassung ausarbeiten und der US-Regierung als Vorschlag vorlegen, und ein Volksentscheid musste den Aufnahmeantrag stützen. Abgeordnetenhaus, Präsident und Senat mussten dem Antrag jeweils zustimmen.
Bis auf folgende Ausnahmen waren sämtliche heutigen US-Staaten zuvor als Territorium organisiert:
Während des Bürgerkrieges waren die Konföderierten Staaten am New Mexico Territory interessiert, auch um einen direkten Landweg zum Pazifik zu erschließen. Nachdem sich Teile der Bevölkerung des Territoriums selbständig zur Konföderation bekannt hatten, wurde zu Beginn des Krieges dort eine Südstaaten-Regierung eingesetzt und Teile des Gebietes als "Konföderiertes Arizona-Territorium" bezeichnet. Von Kalifornien geholte Unions-Truppen konnten das Gebiet jedoch rasch wieder für die Nordstaaten übernehmen. Dies sollte der einzige expansive Versuch der Konföderation bleiben.