Politische Generäle - am Beispiel von Benjamin F. Butler
Heute beleuchte ich ein Thema, das es auch heute noch gibt, das aber im Bürgerkrieg besonders weitreichende Folgen hatte: die sogenannten "politischen Generäle". Zur Erläuterung nehme ich ein besonders deutliches Beispiel heraus: Major General Benjamin F. Butler.
Man sollte meinen, dass ein Offzier und noch mehr ein General eine entsprechende militärische Ausbildung und Erfahrung besitzen sollte, bevor man ihn in die Lage versetzt, eine größere Anzahl von Menschen zu führen und taktische Entscheidungen für sie zu treffen. Aber das war nicht immer so. Es gab auch Männer aus anderen Berufsgruppen, die angesichts des beginnenden Krieges unbedingt ein militärisches Kommando haben wollten, sei es für eine glänzende Karriere, für den Ruhm oder auch nur aus Eitelkeit. Solche Männer waren nicht selten wohlhabende Industrielle oder bedeutende Politiker, oder auch die Söhne einflussreicher Väter.
Und besonders bei Politikern beginnt sich die militärische Realität mit politischer Taktiererei zu mischen, oft zum Nachteil des militärischen Erfolges - wie wir hier hier sehen werden.
Benjamin F. Butler, geboren 1818 in New Hampshire, war Anwalt und bei Kriegsbeginn Politiker der Demokratischen Partei in Massachusetts. Seit 1855 führte er als Brigadegeneral die Bürgermiliz des Staates, die aber so gut wie nie ernsthaft eingesetzt wurde. Seine Erfahrung in militärischen Dingen war also begrenzt. Durch seinen hohen Rang erhielt er vom Gouverneur von Massachusetts das Kommando über mehrere Regimenter, die er vor dem heraufziehenden Krieg nach Washington bringen sollte. Butler entschied sich, die Reise mit Schiffen entlang der Küste zu machen.
MajGen Benjamin F. Butler
Schon hier zeigte sich, dass er wenig organisatorisches Geschick besaß. Von den vier Regimentern weigerten sich zwei, in See zu stechen, sondern nahmen den Weg mit der Eisenbahn und gerieten in die ersten Auseinandersetzungen mit Südstaaten-Sympathisanten in Baltimore, der größten Stadt des einer Sezession nicht abgeneigten Maryland. Butler sah keinen Weg, diese Unterführer unter sein Kommando zu bringen und zog nur mit der halben Mannschaft los.
Wegen der Unruhen in Baltimore konnte Butler dort nicht wie geplant an Land gehen und entschied sich, etwas weiter südlich nach Annapolis zu fahren. Dort befürchtete er aber Sezessionisten in der Stadt, und er traute sich nicht, sein Schiff zum Anleger zu steuern. Als dann noch ein Mann über Bord fiel, lief sein Schiff beim Rettungsversuch auf eine Sandbank auf und saß für zwei Tage fest, und das ohne Wasser und Proviant an Bord.
Als er schließlich doch an Land war, sollte seine Truppe die wichtige Eisenbahnlinie von Annapolis und Baltimore nach Washington bewachen, die für die Truppentransporte unentbehrlich war. Diese eher passive Aufgabe tat er so nachlässig, dass der Oberkommandierende Winfield Scott zweimal mahnen musste. Stattdessen marschierte Butler ohne Befehl nach Baltimore, verhängte das Kriegsrecht über die Stadt und ließ Südstaaten-freundliche Teile von Stadtverwaltung und Polizei einsperren.
BvtMajGen Winfield Scott, USA, bis Ende 1861 Oberkommandierender
Scott war wütend, aber Lincoln war beeindruckt, machte ihn zum Major General, und schickte ihn zuerst nach Virginia, dann North Carolina, und schließlich zur Einnahme von New Orleans nach Louisiana. Militärische Erfolge hatte Butler dort nur wenig, der Fall von New Orleans bereits im Frühjahr 1862 geht auf die Rechnung von Admiral David Farragut und seiner Marine.
Aber Butler war nun schonmal vor Ort. Und so ernannte ihn Lincoln zum Unions-Statthalter im besetzten New Orleans. Dort fiel Butler durch drakonisch harte Maßnahmn gegen Einwohner auf. Er provozierte die Bevölkerung durch fortwährende Militärparaden durch die Stadt. Und als eine Anwohnerin kurzerhand ihren Nachttopf über den Soldaten aus dem Fenster kippte, verordnete er dass mit Frauen die seine Unions-Soldaten schlecht behandelten, wie mit Dirnen umzugehen seien.
Die Kritik an Butler's Verhalten in New Orleans war riesig, nicht nur im Süden. Lincoln hätte ihn eigentlich entlassen müssen. Aber Butler war ein wichtiger Politiker der Demokratischen Partei. Und die Demokraten waren Lincoln's politische Gegner. Zwar hatte Lincoln immer wieder die Zusammenarbeit mit ihnen gesucht - er hat sogar einige Demokraten als Minister in sein Kabinett geholt - aber in der Unterhauswahl Ende 1862 wurde dieser Gegner stärker und das Regieren für Lincoln damit schwieriger. Also musste er sie "bei Laune halten". Einen populären Mann wie Butler einfach abzusetzen, wäre das falsche Signal.
Lincoln holte Butler nach Washington, wo er bis Anfang 1864 im Stabsdienst war - eben bis die nächste Wahl bevorstand, seine Wiederwahl. Da bekam Butler wieder ein Feldkommando. An der Küste von North Carolina und im äuersten Südosten von Virginia waren einige US-Kräfte verstreut, die dort aktuell keinen ernsthaften Einsatz erwarteten. Diese Einheiten wurden auf die Halbinsel südöstlich von Richmond zusammengezogen, auf der 1862 McClellan versucht hatte, den Krieg rasch zu beenden. Man organisierte die Einheiten als neue Armee mit dem Namen "Army of the James" - benannt nach dem Fluss durch Richmond -, und Butler wurde ihr Kommandeur.
Die "James-Armee" war einer der Bausteine von Grant's Generalplan zur Beendigung des Krieges. Während Grant selbst mit der Potomac-Armee von Nordwesten her auf Richmond und gegen Lee vordrang, sollte Buttler die James-Armee von der anderen Seite her auf die konföderierte Hauptstadt und den 50 km weiter südlich gelegenen Eisenbahnknoten von Petersburg führen. Damit sollten die Konföderierten gezwungen werden, einen Teil der gegen Grant stehenden Verteidigung von Richmond abzuziehen, um der Gefahr durch Butler zu begegnen.
Richmond war zu jener Zeit relativ schwach verteidigt. Lee hatte alles an Männern bekommen was entbehrlich war. Aber der Kommandeur der Stadtverteidigung war ein alter, militärisch erfahrener Haudegen: General Pierre G. T. Beauregard. Dieser hatte den Beschuss von Fort Sumter geleitet und die 1. Schlacht von Manassas gewonnen. Seitdem war er weniger erfolgreich, was aber seine Erfahrung als militärischer Anführer nicht geschmälert hat.
Ich greife den Ereignissen etwas vor, um die Geschichte von Benjamin F. Butler abzuschließen:
Beauregard's Einheiten waren denen von Butler weitaus unterlegen, sowohl in Anzahl, Ausrüstung als auch an Nahrung, nicht aber an Motivation und Einfallsreichtum. Als Butler nun in Grant's Generalplan begann, sich Petersburg zu nähern, führte Beauregard ein paar kleine Seitengefechte, um Butler's Armee immer wieder ausweichen zu lassen, bis sich Butler plötzlich in einer Falle wiederfand - eingesperrt auf der Landzunge einer großen Flussschleife namens Bermuda Hundred, die diesem missglückten Feldzug den Namen gab.
Butler saß fest, und Beauregard konnte die schmale Landverbindung spielend leicht mit wenigen Männern abriegeln, während seine anderen Kräfte die Verteidigung von Petersburg verstärkten - was im Juni 1864 noch von entscheidender Bedeutung sein sollte.
Als Grant's Belagerung von Petersburg im Herbst 1864 immer bedrohlicher wurde, wurden auch die letzten Konföderierten von Bermuda Hundred nach Petersburg geholt, und Butlers James-Armee war endlich wieder frei. Butler erhielt den Befehl, den letzten großen Hafen der Konföderation in Wilmington, N C, zu besetzen. Er ließ es sich nicht nehmen, das Unternehmen selbst anzuführen. Er wollte wohl die Scharte auswetzen, dass er sich in Virginia so leicht in die Falle hatte locken lassen. Aber auch dort scheiterte er kläglich.
Inzwischen hatte sich das politische Blatt in Washington gewendet. Lincoln war deutlich wiedergewählt worden, auch im Kongress hatten die Republikaner wieder eine stabile Mehrheit. Deshalb war es aus politischen Gründen nicht mehr nötig, an einem solchermaßen erfolglosen und unzuverlässigen Kommandeur weiter festzuhalten. Lincoln setzte ihn ab und gab ihm auch kein neues Kommando mehr. Sein Nachfolger an der Spitze der James-Armee wurde MajGen Edward Ord, ein Vertrauter von Grant, und die Armee spielte bis zur Kapitulation von Lee noch eine durchaus wichtige Rolle.
Als Zivilist blieb Butler weiter in der Politik tätig. Nachdem der Demokrat Vizepräsident Andrew Johnson Lincoln's Amt übernahm, wechselte Butler die Seiten und kämpfte als Republikaner energisch um die Absetzung von Johnson. Auch kandidierte er mehrfach selbst als Präsident und auch als Gouverneur von Massachusetts, aber meist erfolglos. Seine politische - und auch seine militärische - Karriere war dann doch zu widersprüchlich für ein solches Amt.
Benjamin F. Butler war nur einer von mehreren "politischen Generälen", die aus heutiger Sicht zwar zur Durchsetzung der Ziele der jeweiligen Seite nicht übergangen werden durften, die aber den Verlauf des Krieges durch ihre individuellen militärischen Unfähigkeiten nur in die Länge gezogen haben. Oberbefehlshaber Henry Halleck sagte 1864 treffend:
Es grenzt beinahe schon an Mord, wichtige Kommandos Männern wie Banks oder Butler zu übertragen.