Das Hauptquartier im Sattel - Grant's Generalplan
Im vorigen Artikel habe ich Euch den Menschen "Grant" vorgestellt und beschrieben, wie er zum obersten Befehlshaber von mehr als 500.000 Soldaten und Offizieren gemacht wurde. Dabei kam seine menschliche Seite zur Geltung. In diesem Artikel geht es nun um Grant's Generalplan zur Beendigung des Krieges. Dieser hat mit Menschlichkeit wenig zu tun, sondern mit der Weitsicht, Klarheit, und auch der Grausamkeit von Grant als Stratege.
LtGen Ulysses S. Grant hatte einen großen Vorteil gegenüber all seinen Vorgängern: er hatte das Wort des Präsidenten, ihm nicht in seine militärischen Dinge hineinzureden. Alle bisherigen Befehlshaber mussten ihre Strategien vorher mit Lincoln abstimmen, Grant nicht. Also konnte Grant so vorgehen, wie er es für das Beste hielt.
LtGen Ulysses S. Grant 1864, US-Oberkommandierender, im Felde
Grant sah sich die Landkarte der USA an und beschloss, alle nun kommenden Feldzüge zu koordinieren. Bislang war jede Armee ziemlich auf sich selbst gestellt und die Aktionen waren untereinander kaum abgestimmt. Nun aber sollte an allen Stellen gleichzeitig gehandelt werden. Damit sollten Konföderierten keine Möglichkeit haben, Truppenverbände rasch von ruhigen Gegenden in aktuelle Brandherde zu verlegen - weil es überall gleichzeitig brennen sollte.
Verschaffen auch wir uns einen Überblück über die Landkarte:
Die Seeblockade:
Die Blockade der Häfen und Küsten der Konföderation wurde ständig verbessert und zeigte deutliche Wirkung. Grant nahm hier keine Änderungen vor.
Jenseits des Mississippi (in der Karte hellrot):
Seit Grant's Einnahme von Vicksburg waren die Truppen jenseits des Mississippi abgeschnitten, insbesondere von den Informationswegen und vom Nachschub. Grant maß ihnen kaum noch Bedeutung bei und konzentrierte sich auf bedeutendere Gebiete.
Tennessee:
Grant selbst hatte im Herbst durch Koordination von drei Armeen (der Tennessee-Armee unter MajGen William T. Sherman, der Ohio-Armee unter MajGen John Schofield, und der Cumberland-Armee unter MajGen George Thomas) die konföderierte Tennessee-Armee von Braxton Bragg geschlagen und nach Nord-Georgia vertrieben. Als Grant zum Oberkommando gerufen wurde, wurde sein Freund und Vertrauter, MajGen William T. Sherman Nachfolger im Kommando aller Truppen im Westen. Für Sherman übernahm MajGen James B. McPherson die Tennessee-Armee. Insgesamt hatte die Union dort 80-90.000 Mann unter Waffen, nach Ankunft von Verstärkungen und Rückkehr von Urlaubern bis Juni sogar 115.000 (grüner Kreis zwischen TN und GA).
Braxton Bragg war abgesetzt und als Berater nach Richmond geholt worden. Die Tennessee-Armee stand nun wieder unter dem Kommando von General Joseph E. Johnston und umfasste zunächst 50.000 Mann, nach Verstärkung aus Alabama dann 65.000.
Grant's Plan sah vor, dass Sherman mit all seinen Kräften in Georgia eindringen und Johnston besiegen sollte. Das zweite Ziel war Georgia's Hauptstadt Atlanta, eine für die Konföderation extrem wichtige Stadt. Sie war nicht nur Verkehrsknotenpunkt und wichtiger Produktionsstandort für Waffen und Munition, sondern auch moralisch äußerst bedeutend. Auch war Georgia noch sehr fruchtbar, hier hatte es bislang noch kaum Kämpfe gegeben.
MajGen William T. Sherman, USA, Oberkommandeur im Westen / General Joseph E. Johnston, CSA
Virginia:
Das Shenandoah-Tal (am linken Rand des oberen grünen Kreises) war schon mehrmals von konföderierten Armeen benutzt worden, um sich im Schutz der Berge heimlich von Nord nach Süd oder umgekehrt fortzubewegen. Es war wichtig, dieses Tal endgültig in die Hand zu bekommen oder wenigstens zu verschließen. Zudem war dieses Tal besonders fruchtbar und deshalb wichtig in der Versorgung der konföderierten Armeen. Dieser Warenstrom musste unterbunden werden. Grant gab dem deutsch-stämmigen MajGen Franz Sigel den Befehl, dies mit den in West Virginia befindlichen Einheiten zu erreichen. Hierbei sollte erstmals ohne Rücksicht auch ziviles Eigentum vernichtet werden.
An der Küste von Virginia und North Carolina war nicht mehr viel Aktivität. Deshalb beschloss Grant, die dort befindlichen US-Einheiten zur neuen "James-Armee" zusammenzufassen, benannt nach dem Fluss durch Richmond. Kommandeur wurde MajGen Benjamin F. Butler. Grant gefiel das nicht, weil Butler kein gelernter Offizier war, aber der Mann war politisch bedeutsam für Lincoln. Sollte Lincoln aber die Wahl im Herbst verlieren, wäre Grant's wichtigster Mentor weg. Butler hatte den Befehl, mit der neuen Armee von Süden her Richmond anzugreifen und wenn möglich einzunehmen, während die Potomac-Armee sich der Stadt langsam von Norden nähern und General Lee's Armee beschäftigen würde. Butler sollte damit auch verhindern, dass die Konföderierten Verstärkungen aus der Stadtbefestigung zu Lee entsandten. (grüner Kreis in Südost-Virginia)
Im Norden des Staates befand sich die Potomac-Armee unter MajGen George G. Meade, die größte US-Armee überhaupt (oberer grüner Kreis). Sie hatte seit Beginn des Krieges versucht, Richmond einzunehmen, und war dabei immer wieder an Robert E. Lee's Nord-Virginia-Armee gescheitert. Grant erkannte, dass er Richmond nur erreichen konnte, wenn Lee geschlagen war. Er schloss sich mit seinem "Hauptquartier im Sattel" dieser Armee an, beließ aber Meade im Kommando über die Armee. Die Potomac-Armee hatte damals etwa 118.000 Mann, Lee auf der anderen Seite rund 64.000.
MajGen Meade hatte es nicht einfach, solange sein Vorgesetzter Grant ständig in der Nähe war. Zwar war er der Kommandeur der Armee, aber letztlich geschach doch immer das was Grant wollte. Und Grant machte es ihm auch nicht wirklich leicht. So holte er zwei neue Kommandeure aus dem Westen dazu: MajGen Philip Sheridan, der das Kommando über die Kavallerie bekam, und ein alter Bekannter, MajGen Ambrose E. Burnside. Dieser führte aktuell das IX. Corps bei Knoxville in Ost-Tennessee. Longstreet hatte sich im Dezember dort zurückgezogen, und nun konnte Burnside als Verstärkung nach Virginia kommen.
Mit Burnside gab es nun gleich ein Armee-typisches Problem. Burnside war dienst-älter als Meade, also wäre ihm das Kommando über die ganze Armee zugefallen. Grant wusste aber natürlich, wie sich Burnside vor gut einem Jahr bei Fredericksburg angestellt hatte, und konnte es nicht zulassen, dass sich so ein Fehlschlag wiederholte. Also integrierte er das IX. Corps nicht in die Potomac-Armee sondern stellte es unter sein direktes Kommando. Damit blieb Meade zwar weiter Kommandeur der Potomac-Armee, aber durch die Konstellation mit Burnside gab es mit ihm und Grant doch wieder zwei Kommandeure im Feld, weshalb er im Laufe des nun kommenden Feldzuges immer mehr in den Hintergrund trat und Grant die Armeeführung überließ.
MajGen George G. Meade, Army of the Potomac / MajGen Ambrose E. Burnside, IX. Corps
Sonstiges:
Weitere, von Grant geplante und gleichzeitig auszuführende Feldzüge sollten in Süd-Virginia gegen die Eisenbahnverbindungen stattfinden, die Richmond mit Lebensmitteln, Kohle und Salz versorgten, und gegen die wichtige Hafenstadt Mobile, AL.
Ich fasse die wesentlichen Punkte Grant's Generalplan zusammen:
Ich nehme vorweg:
Franz Sigel war im Shenandoah-Tal nicht erfolgreich, ebensowenig die Versuche zur Zerstörung der Bahnlinien und Salzbergwerke in Virginia. Die Stadt Mobile, AL konnte erst im Januar 1865 eingenommen werden, und zwar nicht von der Armee sondern durch die Marine von der See aus. Und die beiden großen Feldzüge in Georgia und in Virginia sollten wesentlich länger dauern als es Grant vorgesehen hatte.
Von diesen beiden großen, dem "Überland-Feldzug" in Virginia und dem "Atlanta-Feldzug" in Georgia, werde ich die nächste Zeit immer wieder berichten.