Was war an Vicksburg so wichtig....

... das es General Grant viele Wochen lang belagerte?

 

Was war an Vicksburg, MS so wichtig?

 

Ich zeige hierfür die Karte von Louisiana und Mississippi (alle: Google Maps):

Der Mississippi-Fluss fließt von kommend Norden quer durch zum Meer, über Memphis und Vicksburg bis New Orleans. Er führt von Norden her schon durch etliche weitere Staaten und hat wichtige Zuflüsse wie den Ohio River, den Tennessee River und den Arkansas River. In der Zeit vor Autos und Lastkraftwagen und ganz zu Beginn der Eisenbahn war diese System aus Flüssen ein ganz wichtiger Trans­portweg. Wie man sich denken kann, fuhr der Süden hier seine Baumwollernte zu den Meereshäfen ab und die damit eingehandelten Güter wieder zurück ins Landesinnere.

Die Unions-Strategen wussten das natürlich und wollten von Anfang des Krieges an dem Süden diesen Handelsweg nehmen. Und das gelang auch. New Orleans fiel im Februar 1862 an die Union, und die Unions-Flussmarine arbeite sich von Süden den Mississippi hinauf. General Grant gewann Fort Henry und Fort Donelson und damit die Oberläufe des Tennessee und des Mississippi, und kam von Norden herunter. Ziel war es, den Mississippi vollständig in die Hand zu bekommen, um dem Süden diesen Handels- und Nachschubweg zu nehmen, aber auch um die Konföderation faktisch in zwei Teile zu spalten. Brücken gab es keine, dazu war der Fluss zu breit. Aber wer den Fluss kontrollierte, konnte ein Übersetzen durch Fähren und Boote verhindern.

Aber das war doch nicht so einfach.

Hier die nächste Karte:

Jetzt sieht man sehr gut, welch gewundenen Verlauf der gewaltige Mississippi nimmt. Die Landschaft dort ist relativ flach und sumpfig, und der Fluss sucht sich seinen Weg in vielen Schleifen. Das Bild auf der Karte von heute ist inzwischen wieder ganz anders wie damals 1863. Natürlich hat zudem heute auch der Mensch eingegriffen, um unnötige Umwege zu vermeiden. Manche Seitenarme oder "tote Wasser" auf der Karte waren früher Teile des eigentlichen Flussverlaufes.

An einer dieser Kurven befand sich ein großes Felsen-Plateau, und oben drauf die Stadt und Festung Vicksburg, MS. Wer dort saß, konnte mit wenigen Kanonen mühelos den gesamten Flussabschnitt kontrollieren. Das wussten schon die frühen Siedler, die Wegezoll verlangten, und die Konföderierten nutzten die Stellung, um den Flussabschnitt vor dem Feind zu schützen. Damals war auch die Flusskurve bei Vicksburg wesentlich enger, fast eine "Haarnadelkurve", sodass die Kontrolle von dort oben perfekt war.

 

Wer meine Artikel bisher gelesen hat, weiß, dass General Grant mit seiner Armee seit Herbst 1862 versuchte, von Westen (links) her Vicksburg anzugreifen. Mehrere Versuche gingen schief, zuletzt kurz nach Weihnachten 1862. Er versuchte die unmöglichsten Dinge, um den Fluss überqueren zu können. Er wollte sogar einen Kanal buddeln lassen, der die Flussschleife abkürzen und somit den Wasserstand bei Vicksburg senken sollte. Auch das scheiterte. Grant musste aber hinüber, denn von der westlichen Fluss-Seite her war Vicksburg nicht zu gewinnen. Er musste es "von hinten" versuchen, also von Osten, von der Land-Seite.

Erst Anfang Mai war der Wasserstand auf natürliche Weise so weit gesunken, dass Grant in einer sehr gefährlichen Aktion seine Armee etwas weiter südlich übersetzen konnte, etwa auf der Höhe von Port Gibson. Grant wusste, welches Risiko er damit einging, denn damit schnitt er sich selbst seine Nachschubwege ab. Daraufhin marschierte er sofort nach Nordosten und nahm am 14. Mai die Stadt Jackson ein, die Hauptstadt von Mississippi - gerade noch rechtzeitig, bevor der konföderierte General Joseph E. Johnston mit Verstärkung für Vicksburg dort ankam.

Grant machte sofort kehrt und strebte auf Vicksburg zu. Dort befand sich LtGen John C. Pemberton, der mit einer relativ kleinen Mannschaft die Stellung hielt. Pemberton merkte, dass es brenzlig wurde, und ging Grant entgegen um ihn auf offenem Feld zu begegnen und die Stadt zu schonen. Die Schlacht von Champion Hill, am 16. Mai etwa auf halbem Weg zwischen Vicksburg und Jackson ausgefochten, verlor er jedoch und musste sich nach Vicksburg zurückziehen.

Grant's Armee kam kurz danach vor die Festungsstadt, doch auch zwei Versuche zur Erstürmung von der "Land-Seite" aus scheiterten. Da beschloss Grant, die Stadt zu belagern. Er legte einen halbkreisförmigen Ring um die Stadt, der an beiden Enden bis zum Fluss reichte und die Stadt somit vollständig abriegelte. Auch über den Fluss konnte die Stadt nicht versorgt werden, weil er ober- und unterhalb bereits in Unions-Hand war. Ein Teil dieses Rings (Belagerer und Verteidiger) ist heute noch erkennbar:

Wenn man die Karte in Google aufruft (Koordinaten 32.353718, -90.851955) und etwas hinein-zoomt, erkennt man in der auffälligen Grünanlage die "Confederate Avenue" und die "Union Avenue". Sie liegen etwa dort wo sich seit Mitte Mai die Armeen gegenüber­lagen.

Wochenlang passierte nichts außer dass immer wieder Granaten hin und her geschossen wurden. Aber in der Stadt gingen die Lebensmittel aus und die Bürgerhäuser wurden mehr und mehr beschädigt. Die Bewohner gruben sich Höhlen in den Berg, um Schutz vor dem Beschuss zu finden. Es kam zu Hunger und Krankheiten.

General Pemperton wusste sehr wohl, welch strategisch wichtige Position er verteidigte. Aber Ende Juni war er bereit, zum Wohle der Stadtbevölkerung zu kapitulieren. Nun hoffte er, dass Grant ihm am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli vielleicht nicht die härtesten Bedingungen diktieren würde. Doch er täuschte sich. Wie bei Fort Donelson machte Grant klar, nur die bedingungslose Kapitulation sämt­licher konföderierter Soldaten zu akzeptieren. 29.495 (!!) Mann gingen in Unions-Gefangenschaft.

 

Am 4. Juli also hatte es Grant endlich geschafft, den gesamten Mississippi für die Union zu gewinnen und die Konföderation in zwei Teile zu spalten. Die Verbissenheit, mit der er ein Jahr lang an diesem Ziel gearbeitet hatte, brachte ihm den Beinamen "Bulldogge" ein. Es war ein weiterer maßgeblicher Erfolg in seiner Karriere zum Oberkommandierenden der Union. Einen Tag nach dem Unions-Sieg von Gettysburg (Grant wusste noch nichts davon) war dies der zweite entscheidende Schlag auf dem Weg zum Ende der Konföderation.

In Vicksburg wurde übrigens seit diesem Jahr der Unabhängigkeitstag bis 1944 nicht mehr feierlich begangen. Patriotismus eben.