Kriegs-Winter 1862/1863 - Die Lage

 

Der Winter 1862/63 war relativ hart, aber es sollten noch schlimmere folgen. Auch Anfang März ist es noch verbreitet winterlich, das bedeutet Frost, Eis und Schnee von Norden her bis runter nach Virginia, teilweise noch weiter. In den südlicheren Staaten wie Tennessee, Mississippi, South Carolina, Georgia oder Louisiana ist es sehr kühl und regnerisch, was alle Straßen aufweichen und die Flüsse stark anschwellen ließ. Es dauert noch mindestens einen Monat, bis der Schnee und das viele Wasser abgeflossen sein würden und man sich wieder besser fortbewegen kann.

Die Armeen der beiden Seiten haben sich seit Dezember kaum vom Fleck bewegt. Sie befinden sich alle noch in ihren Winterlagern und bereiten sich erst ganz langsam auf die nächste "Saison" vor. Sie hatten die Zeit genutzt, neue Männer zu rekrutieren und auszubilden, und alles aufzufüllen, was eine Armee im Felde so braucht: Nahrung, Kleidung, Waffen, Munition, Zelte, Pferde, Wagen usw usw. Überall in den jeweiligen Ländern wurde den ganzen Winter über dafür produziert, was die Rohstoffe hergaben.

 

Im Norden von Virginia liegen die Nord-Virginia-Armee von Robert E. Lee und die Potomac-Armee unter Joseph Hooker (Ambrose Burnside wurde nach der Pleite von Fredericksburg in den Westen versetzt) nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Nur der Rappahannock-Fluss trennt sie. Hooker hat bereits einen Plan ausgearbeitet, wie er Lee's Armee umgehen oder schlagen will, um den Weg nach Richmond zu öffnen. Und, was Lee nicht weiß: der Plan ist garnicht mal so schlecht. Er will heimlich einen großen Bogen nach Westen schlagen, den Rappahannock dort queren und Lee's Armee in den Rücken fallen. Lee hat dann drei Möglichkeiten:

  1. Lee stellt sich zum Kampf. Hooker rechnet sich gute Chancen aus, weil seine Armee ge­schätzt doppelt so stark ist. Außerdem meint Hooker, er könne hierbei das Gelände für die Schlacht bestimmen, ein Vorteil den jeder Feldherr gerne für sich haben will.
  2. Lee weicht nach Südwesten aus, um seine Versorgungslinie aus Richtung Tennessee zu schützen. Dann wäre der Weg nach Richmond offen und Lee müsste Hooker auf dem Weg dorthin quasi hinterlerlaufen.
  3. Lee weicht nach Südosten aus, um seine Hauptstadt zu schützen, indem er sich zwischen Hooker und Richmond hält. Hooker würde ihn dann durch seine großere Armee Stück für Stück auf Richmond drängen.

Es sollte noch einige Wochen dauern, bis aus diesen Plänen etwas folgt. Schließlich mussten die Wege soweit getrocknet sein, dass Hooker mit 100.000 Männer, 20.000 Pferden und 5.000 Wagen darauf marschieren konnte. Fortsetzung hierzu etwa Mitte April.

 

Im Westen gibt es derzeit zwei Schauplätze:

Tennessee:

Nach der leichtfertig verlorenen Schlacht zur Jahreswende bei Murfreesboro zog sich die konföderier­te Tennessee-Armee unter General Braxton Bragg etwas weiter südlich zur Stadt Tullahoma zurück. Sie liegt damit zwischen die Cumberland-Armee der Union unter William Rosecrans und die Stadt Chattanooga, einem wichtigen Eisenbahn-Knotenpunkt. Rosecrans liegt bei Murfreesboro und arbeitet an der Reorganisation seiner Armee. Es wird noch bis zum Juni des Jahres andauern, bis dort etwas passiert.

 

Mississippi:

Ulysses S. Grant konnte noch immer nicht den Mississippi-Fluss überqueren, um die Bastion von Vicksburg "von hinten" anzugreifen. Der letzte Frontal-Versuch war am 26. Dezember kläglich ge­scheitet. Grant beschäftigt seine Männer damit, Kanäle zu bauen, die den mächtigen Fluss umleiten oder zumindest soweit schwächen sollen, um ihn doch noch queren zu können. Brücken gab es ja längst keine mehr. Aber alle Maßnahmen waren erfolglos, der Fluss war einfach zu mächtig - ins­besondere, wie schon geschrieben, zu dieser Jahreszeit. Vicksburg war weiter in konföderierter Hand und der Fluss damit nicht durchgehend frei für die Union.

 

Nützen wir die Zeit, uns ein wenig auch in den anderen Gebieten der Konföderation umzusehen:

 

North und South Carolina:

Hier gab es bislang keine bedeutenden Kämpfe, mal angesehen von den direkten Küstengebieten, wo die Union fast alle Häfen und Befestigungsanlagen erobert hatte, um die Küstenblockade zu festigen. Die einzigen beiden Häfen, die noch nicht geschlossen waren, liegen hier: Wilmington, NC und Charleston, SC. Ja, ausgerechnet Fort Sumter schützt den Hafen von Charleston erfolgreich und war trotz mehrerer Versuche von der Union nicht einzunehmen.

 

Georgia, Alabama und Louisiana:

New Orleans, die größte Stadt der Konföderation, war bereits Anfang letzten Jahres gefallen. Die Unions-Marine arbeitete sich ein gutes Stück weit den Mississippi hinauf, aber über Vicksburg im Nachbarstaat kamen sie nicht hinaus. Abseit dieses Flusses gab es im Landesinneren bislang kaum Kämpfe.

 

Texas:

So weit unten in den Süden dringt die Union zumeist nicht mal auf dem Seeweg vor. Und wenn, dann sind ihre Versuche nur halbherzig. Große Aktionen gab es dort bislang nicht und das sollte auch so bleiben. Dies gibt der Konföderation die Möglichkeit, über Importe aus Mexiko weiterhin an Lebensmittel- und Waffenlieferungen zu gelangen. Nur der Transport von Texas über mehr als 1500 km zum Schauplatz der Kämpfe wird zunehmend schwieriger.

 

Arkansas, Kentucky, Missouri:

In Missouri schwelt noch immer der interne Konflikt zwischen Sklaverei-Gegnern und Anhängern, der längst Formen eines unkontrollierbaren Guerilla-Kampfes angenommen hat. Nachbarn ermorden Nachbarn, nur weil sie in ihnen Verräter sehen. Für die konföderierten Armeen sind diese Staaten größtenteils bereits verloren, wobei Kentucky und Missouri nie wirklich zur Konföderation gehört haben. Arkansas mit seiner Nachbarschaft zum Mississippi-Fluss sollte aber noch eine Rolle spielen.

 

Politisch hat sich auch nicht viel verändert. Im Norden gab es im November 1862 Kongresswahlen, bei denen Lincoln's Republikaner zwar Sitze an Kriegsgegner verloren haben, nicht aber die Mehrheit. Am 1. Januar war Lincoln's viel-beachtete Emanzipations-Proklamation im Kraft getreten und hatte die Farbigen in den Rebellenstaaten offiziell freigelassen. Wie nicht anders zu erwarten, änderte dies im Süden kaum etwas, aber Lincoln erhält jetzt insbesondere aus Europa deutlich mehr moralische Zustimmung. Die Stimmung ist gedrückt, weil die Union bislang trotz aller Anstrengungen und Gefallenen nirgends entscheidend siegen konnte. Insbesondere das Debakel von Fredericksburg lastet schwer auf der Moral der Bevölkerung im Norden. Nur der neue General der größten Armee, Joseph Hooker, steckt mit seinem Optimismus an.

In der Konföderation gab es keine Wahlen, dort sind Präsident und Parlament sechs statt vier Jahre lang im Amt. Die Versorgungslage der Bevölkerung beginnt schwierig zu werden, denn die Seeblockade zeigt langsam Wirkung. Alles was geht, wird den Armeen zugeführt. Es gibt kaum noch verfügbare Pferde. Die Frauen arbeiten ihre Kleider um in Uniformstücke, Zeltplanen und Fahnen. Überall müssen solche Ersatzbeschaffungen gefunden werden. Als z.B. Salpeter für die Schießpulver-Produktion knapp wird, sammeln Frauen sogar ihr Urin, weil man es dafür auch verwenden kann. Die Stimmung ist dagegen allgemein ziemlich zuversichtlich. Die Generäle Lee und Jackson sind auf den Höhepunkt ihres Ansehens, und auch die zuletzt verlorenen Aktionen im Westen werden allgemein nicht zu schwer genommen. Der Krieg kann also weitergehen, und man beabsichtigt nach wie vor, ihn bald zu gewinnen.

 

Nach dieser kleinen Rundschau zur allgemeinen Lage wende ich mich das nächste Mal wieder einem bestimmten Einzelereignis zu.