Die Kavallerie - das gewisse Extra jeder Armee
Heute geht es um eine spezielle Sparte in der Armee: die Kavallerie. Hierunter versteht man Soldaten, die sich hauptsächlich zu Pferde fortbewegen. Im Sinne einer schnellen und flexiblen Truppenbewegung wäre er natürlich im Prinzip für sämtliche Soldaten von Voteil, wenn sie Reiter wären, aber der gewaltige zusätzliche Aufwand für Pferde, Futter und sonstige Besonderheiten der Kavallerie war in dieser Größenordnung nicht zu leisten. So waren die weitaus meisten Soldaten zu Fuß unterwegs (Infanterie), und die Kavallerie blieb eine ganz besondere Sparte jeder Armee.
Als der Krieg begann, wähnte sich der Süden ganz besonders im Bereich der Kavallerie dem Norden deutlich überlegen. Das kam daher, dass der Süden glaubte, der Norden würde nur aus großen Städten bestehen, in denen das Reiten keine solche Selbstverständlichkeit sei wie im ländlichen Süden. Und tatsächlich waren fast alle Offiziere der U.S.-Armee vor dem Krieg aus dem Süden. Diese Ansicht war aber nicht ganz richtig, denn der Norden hatte auch riesige ländliche Gebiete, und dort gab es durchaus jede Menge gute Reiter.
Der wirkliche Unterschied lag aber woanders. Beide Parteien bauten ihre Armeen nach napoleonischen Vorbildern auf, so wie es den Offizieren in West Point gelehrt worden war. Die Reiterei hatte Anfang des 19. Jahrhunderts im verhältnismüßig kleinen Europa aber eine weniger wichtige Rolle. Sie diente hauptsächlich der Bewachung von schwerfälligen Trossen aus Versorgungswägen und ein wenig zur Erkundung von Gegner und Gelände. So hielten es zunächst auch die Nordstaaten.
Brigadier General Judson Kilpatrick, USA / Darstellung von Unions-Kavallerie
Der Süden allerdings erkannte schon früh das wirkliche Potential der Reiterabteilungen. Sie waren schnell, flexibel, konnten Verfolgern meist leicht entkommen, und waren insbesondere als Späher besonders wirksam. Ganz besonders der bald berühmteste konföderierte Kavallerieführer, J.E.B. Stuart, zeigte mit seiner Kavallerie eindrucksvoll, welche äußerst wichtigen Aufgaben seine Abteilung leisten konnte, und welche Ausrüstung dafür am Besten geeignet war. Der Norden brauchte bis Mitte des Krieges, bis er dies dem Süden nachmachte und seine Kavallerie entsprechend auf- und ausrüstete.
Major General James E. B. Stuart, CSA / Darstellung von konföderierter Kavallerie
Späher: Kleine Reiter-Trupps (drei bis sechs Mann) drangen vorsichtig bis zu den gegnerischen Postenlinien vor, suchten mit Ferngläsern das Gelände ab und meldeten ihre Beobachtungen möglichst schnell an ihre Kommandeure zurück. Hieraus ergab sich ein Bild von der Größe, der Position, der Organisation und der Kampfbereitschaft des Gegners. In heutigen Zeiten von Radar, Satellitenbildern und Handys kaum noch vorstellbar, war diese Aufklärungsarbeit damals von allergrößtem Wert.
Kundschafter: War eine Armee auf dem Marsch zu einem neuen Ziel, suchte die Kavallerie für diese gewaltige Massenbewegung weit voraus geeignete Wege, Bergpässe, Flussquerungen, und requirierte Nahrungsmittelquellen. Auch diente die Kavallerie als Flankenschutz, ritt also etwas rechts und links von Infanterie-Kolonnen, um die Fuß-Soldaten vor Seitenangriffen zu bewahren und gesichtete Gegner zu melden.
Verschleierung: Der Gegner sollte möglichst spät oder garnicht von der Bewegung der eigenen Armee erfahren. Denn den Feind zu überraschen war damals ein ganz wichtiger Faktor zum Erfolg. Auch dazu diente die Kavallerie. Sie ritt in einigem Abstand von der eigentlichen Armee so hin und her, dass der Gegner, der diese Bewegungen erspähte, daraus nicht ablesen konnte, dass es sich nur um Ablenkungen handelte und dass sich dahinter die restliche Armee bewegte. Wenn man dabei noch geschickt das Gelände (Berge, Flüsse) ausnutzte, konnte man eine ganze Armee vor den Augen des Gegners "verstecken". Bestes Beispiel dafür war Lee's Vorstoß durch das Shenandoah-Tal nach Pennsylvania, die von der US-Armee erst erkannt wurde als Lee sich bereits in Maryland befand.
Überfälle: Die schnell bewegliche Kavallerie war besonders dafür geeignet, rasche Tempo-Vorstöße zu machen und sich ebenso rasch wieder zurückzuziehen. Diese Überfalltaktik wurde häufig gegen die Versorgungslinien der gegnerischen Armee geführt, die dessen Truppen aus dem Hinterland kommend mit Nahrung und Material versorgten. Jede Armee war von diesem unablässigen Strom von Wagen abhängig. War diese Linie unterbrochen, z.B. indem das Gelände blockiert oder große Teile der Wagen gebraubt wurden, musste sich der Gegner nach neuen Quellen umsehen, sich meist etwas zurückziehen und eventuell auch einen geplanten Angriff aufgeben. Außerdem konnte man bei solchen Überfällen auch reichlich Material für die eigene Truppe erbeuten. Solche Raumzüge wurden damals "Raids" genannt.
General Lee hat all diese Aufgaben sehr treffend zusammengefasst als er zu J.E.B. Stuart sagte, seine Kavallerie sei "die Augen und Ohren der Armee".
Kavallerie-Soldaten unterschieden sich in der Ausrüstung und Ausbildung deutlich von ihren fußläufigen Kameraden. Zunächst hatte jeder Soldat ein Pferd, Sattel und Zaumzeug. Im Norden gab es Pferdezuchtbetriebe und staatlich organisierte Sammelplätze, um die Armeen mit Pferden zu versorgen. Im Süden musste jeder Kavallerist sein eigenes Pferd mitbringen. Wurde es untauglich, z.B. durch Verwunding, Krankheit oder Beinbruch, musste sich der Besitzer selbst um Ersatz kümmern, nötigenfalls dafür in die eigene Heimat reisen. Nur wenn das Tier im Kampf erschossen wurde ("Kriegsverlust"), bekam er eine Entschädigung ausgezahlt. Das führte dazu, dass im Süden bald keine Pferde mehr aufzutreiben waren und gegen Ende viele Kavallerie-Einheiten "abgesessen" (dismounted) und zu Fuß unterwegs waren.
Das lange, unhandliche und schwere Vorderlader-Gewehr der Fußtruppen war für die Arbeit im Sattel ungeeignet. Kavalleristen waren deshalb in der Regel mit einem Säbel ausgestattet. Dieser konnte mit einer Hand geführt werden, während man die Zügel in der anderen Hand hielt. Kämpfen konnte man damit aber nur Mann gegen Mann. Deshalb hatten Kavalleristen im Norden schon frühzeitig kurzläufige Gewehre mit Patronenmagazinen ("Spencer Rifles"), im Süden je nach Verfügbarkeit später auch. Ansonsten wurden Pistolen verwendet.
Auch die Kleidung unterschied sich. Reitersoldaten hatten kürzere Uniformjacken an, die sie beim breitbeinigen Sitzen im Sattel nicht behinderten. Die Hosen waren am Hintern und den Innenseiten der Beine besonders verstärkt. Die Stiefel waren vorne etwas spitz geformt, um leichter in die Steigbügel zu kommen. Lederhandschuhe gehörten zum Standard (die Lederriemen der Zügel rieben sonst rasch die Hände wund), und für den oft sehr langen Dienst im Sattel lösten Hüte mit breiten Krempen rasch die kleinen Käppis ab.
Kavallerie-Einheiten wurden von besonderen, typischen Einrichtungen begleitet. Zum Einen waren da natürlich die Futterbeschaffer, Pferdepfleger, Sattelmacher und Hufschmiede. Diese wurden außer bei der Kavallerie sonst nur für die höheren, berittenen Offiziere und die Zugtiere der Artillerie benötigt.
Und auch die Kavallerie hatte Feldgeschütze dabei, die besonders leicht sein mussten, um halbwegs mit der raschen Beweglichkeit der Kavallerie mithalten zu können. Man nannte diese Trupps "Horse Artillery".